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KI-Figuren:
Große Sprachmodelle und die
Medialität(en) der Gesellschaft
Prof. Dr. Lukas R.A. Wilde (NTNU)
Gastvortrag anlässlich der
Osnabrücker Gastdozentur zu Literatur und Medienkultur
im Sommersemester 2025
am Freitag, den 20. Juni 2025 um 16:00 Uhr (s.t.)
im Zimeliensaal der Universitätsbibliothek
(Alte Münze 16/Kamp, 49074 Osnabrück)
Machine Learning-Technologien, insbesondere sogenannte „generative KIs“, stellen die Gesellschaft vor große Herausforderungen. Jenseits technologischer Fragen fordert dies auch eine Positionierung der Geisteswissenschaften, vor allem was Einflüsse, Aufgriffe und Ausschlüsse großer Sprachmodelle in kulturellen, sozialen und politischen Prozessen anbelangt. Ausgehend von dem aktuellen NTNU-Forschungsprojekt „Humanities Understanding Artificial Intelligence“ fragt der Vortrag nach spezifisch medienwissenschaftlichen Perspektiven auf eine veränderte Gesellschaft, in der „KI“ in immer mehr Programme, Prozesse und Verteilungen von Handlungsmächten involviert ist – mal äußerst sichtbar, mal geradezu unsichtbar. Ausgehend von diesem Rahmen möchte der Vortrag „KI-Figuren“ diskutieren, wann, wie, für wen und in welcher Weise große Sprachmodelle nicht nur in neuartiger Weise im kommunikativen Austausch menschlicher Akteure involviert sind, sondern vielen auch selbst als eigenständige Akteure erscheinen. Wenn Character.AI fiktive Figuren „rollenspielt“, hat dies viele Gemeinsamkeiten mit der Darstellung von Protagonist*innen aus Literatur, Film oder Computerspielen – was aber, wenn in einem „Jailbreak“ ein vermutetes „böses Unterbewusstsein“ von ChatGPT, Claude oder Copilot freigespielt werden soll? Zur Kontextualisierung wird auf drei unterschiedliche Rezeptionshaltungen eingegangen, die als „Turing-Test“, „Eliza-Effekt“ und „Character Effekt“ einschlägig geworden sind: einer Täuschung über den menschlichen vs. technischen Status des Gegenübers; in Kontrast eine affektive oder emotionale Bindung zu derlei Interfaces trotz besseren Wissens; sowie schließlich der bewussten Konstruktion einer (häufig fiktiven) Figur innerhalb einer dargestellten Welt. Anhand zahlreicher aktueller Phänomene und Kontroversen werden solch unterschiedlichen „KI-Figuren“ in der gegenwärtigen Medienkultur nachgespürt.
Prof. Dr. Lukas R.A. Wilde ist Professor am Department of Art and Media Studies der NTNU (Norwegian University of Science and Technology) in Trondheim. Seine Dissertation, veröffentlicht als Im Reich der Figuren (Halem 2018) wurde mit dem Roland-Faelske-Preis für die beste Dissertation im Bereich der Comic- und Animationsforschung 2018 sowie dem GIB Dissertations-Wissenschaftspreis 2021 der Gesellschaft für interdisziplinäre Bildwissenschaft ausgezeichnet. Sein Aufsatz „Material Conditions and Semiotic Affordances: Natsume Fusanosuke’s Many Fascinations with the Lines of Manga“ wurde mit einer Lobenden Erwähnung des Martin Schüwer-Puplikationspreises für herausragende Comicforschung 2021 prämiert. Gemeinsam mit Klaus Sachs-Hombach und Marcel Lemmes gab er Generative Imagery: Towards a ‘New Paradigm’ of Machine Learning-Based Image Production, special-themed issue of IMAGE: The Interdisciplinary Journal of Image Sciences 37 (1), 2023 heraus. Zusammen mit Aurora Hoel leitet er das NTNU Research Netzwerk „AI Media“ und ist im Steering Committee des neu gegründeten skandinavischen “AIsthesis: Network for Research on the Aesthetics of AI Imagery.”